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MELANCHOLIE – 4 Strophen

Zwei Kräne stehen müde beieinander.
Sie haben ihre Ketten hochgezogen.
Gebückt erwarten sie den Regenbogen
des Schlafs, der sie erlöst zum Oleander.

Mir fahren lange Kähne durch die Schläfen.
Sie streifen sanft durch alle Laubgebüsche.
Als immer neue Kühlung gleiten Flüsse
mir durch den müden Vorhang meiner Hände.

Die alten Glieder brechen morsch vom Stamm,
entlaubte Äste fallen auf ihr Laub
und betten sich zu tiefem Humusschlaf
im sauersüßen Lager der Verwesung.

Ein Kran dreht sich am Horizont als Galgen
der großen Stadt, die ihren Tod nicht kennt.
Er deutet in den Himmel, wo es brennt,
wo Sonnen überhüllt ein Qualm von Algen.

1960
  

zum Seitenbeginn   Quelle: Neues (& altes) vom Rechtsstaat & von mir