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NACHRUF FÜR BERTRAM AUDERER († 6. Okt. 1964)
Ich nannte dich Bertram,
den Schwiegervater
bei seinem Vornamen.
Respektlos fanden das,
die dich Opi nannten,
den Vater Opi,
Opi den Ehemann,
der vor Jahrzehnten
ein Haus gebaut hatte und schließlich Direktor wurde
in einer Spinnerei.
Dein Cello, deine Quartette
waren eingeengt von den Möbeln,
den Kaffeetassen. Du warst ungemütlich. Der Gemütlichkeit fügtest du dich:
Streit lag dir nicht.
Was dich umtrieb,
war Todesangst,
klein dosiert. Bastelnd überlebtest du, überall einrenkend,
du Ausgerenkter.
Entlassen durch Intrigen so viel ich weiß
fingst du von vorne an
als Reisender für Klimaanlagen
und hattest Erfolg.
In deinem Auto warst du für dich
allein mit morschem Herzen,
deinen sechzig Jahren und den Rückspiegeln. Nach Hof führte dich
deine letzte Fahrt.
Dort erlittest du
einen Herzanfall,
hieltest einen Tag
im Hotel aus
und erzwangst dann die Rückreise
in dein eigenes Haus.
Wir sind dir nachgefahren
auf Wegen,
denen du fehltest, ins schöne Elztal.
Dein Wagen stand ordentlich
in seinem Unterstand.
Aufgebahrt lagst du
in der vorgeschriebenen Haltung
auf deinem Bett,
rasiert und mit nicht mehr
selbstgebundenem Binder.
Nur dein Gesicht
war nicht vorgeschrieben,
dein letztes Gesicht,
das Lebenswerk.
Aber sie wollten es
dir nicht abnehmen,
wollten dich nicht stören und sich nicht stören lassen
von der Totenmaske
eines Mannes namens Bertram,
meines Bruders Bertram,
den ich beweint habe,
aufgebahrt neben mir.
1964
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