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  Titel Blutig blüht das Veilchen


Devolsit ilei acuto sibi pondera silice.
Catull 63,5

Vor einigen Wochen hat mich die Frau Voltmer angerufen, ob ich nicht auf der Landesdelegiertenkonferenz sprechen könne, und zwar stellte sie sich und stellen vielleicht auch Sie sich vor, daß ich glossiere den Robert Gernhardt Dem Marabu sind seine Jungen bis auf das vierte sehr mißlungen. Ich dachte aber, daß man eigentlich über einen Witz schwer einen Witz machen kann, und ich bin persönlich eigentlich auch ein Gegner dieser Verarbeitung durch Walt-Disney-Vorstellungen, dieser Verarbeitung von Natur, also auch des Marabu. Ich bin sozusagen auf der Seite des Marabus und nicht auf der Seite der Leute, die Witze über den Marabu machen. Wie das bei Genscher und Kohl und dem dritten mißlungenen Jungen – ich weiß nicht, welches das gerade ist – aussieht, ist wieder eine Frage für sich. Ich bin sozusagen mit der Verramschung des Marabu sowenig einverstanden wie mit der Verramschung des Wendehalses. Ich erinnere mich: Vor zwei oder drei Jahren war der Wendehals ein geschützter Vogel, der Vogel des Jahres, weil er vom Aussterben bedroht ist. Und er hat es wirklich nicht verdient, mit Krenz oder anderen verglichen zu werden. Der Wendehals war in der Antike ein Vogel, der zum Liebeszauber benutzt wurde, weshalb? Eine schwierige Frage. Er hat einen sehr wendigen Hals, er wurde auf ein Rad geflochten und eingeäschert, und diese Asche wurde als Liebeszauber verabreicht. Wenn man dies einnimmt, dann kann man die Person, die man betören will, in Liebe an sich binden. Seltsame Vorstellung, sehr abstrus. Wahrscheinlich hängt der Vogel in irgendeinem weiteren, fast metaphysischen Sinne mit dem Vögeln zusammen, und das Rad, das durch Reibung Hitze erzeugt, gehört in diesen Denkzusammenhang.

Man kann natürlich über all diese Dinge auch seine Witze machen, und sehr kluge und auch mir sehr sympathische Leute haben darüber auch Witze gemacht, z. B. Lichtenberg, der große Aphoristiker, der für mich eine Art Lehrer ist. Er hat einen Satz formuliert über die Fledermaus, der ungefähr – ich zitiere aus dem Gedächtnis – so lautet: »Man könnte die Fledermaus auch als eine nach Ovids Art verwandelte Maus ansehen, die, von einer unzüchtigen Maus verfolgt, die Götter um Flügel bittet, die ihr auch gewährt werden.« Diese Sorte Scherze gefällt mir schon besser, aber man kann sie sozusagen nur machen, wenn man Ovids Art kennt. Ovids Art, gemeint sind die Verwandlungen in den Metamorphosen von von Ovid. Das berühmteste Beispiel ist Daphne, eine Baumnymphe, eine Hamadryade; Daphne heißt der Lorbeerbaum. Daphne wurde von Apoll verfolgt – er hat ihr nachgestellt. Apoll war sozusagen, um bei Lichtenbergs Bild zu bleiben, die unzüchtige Maus. Daphne bat die Götter, in einen Baum verwandelt zu werden, und wurde in den Lorbeerbaum verwandelt, der dem Apoll heilig ist, und dessen Blätter sich die Dichter gern als Kranz um die Stirn binden lassen. Das Ganze hängt zusammen mit der apollinischen Eroberung eines Mutterheiligtums in Delphi. Ursprünglich hatten dort Frauen, Priesterinnen, die Verwaltung des Heiligtums. Es war eine Felsspalte, aus der Wasser floß, die Kastalische Quelle.

Eine zweite Verwandlung nach Ovids Art ist die Verwandlung der Baumnymphe wiederum, Syrinx. Sie wurde von Pan verfolgt. Er stellte sozusagen ihrer Unschuld nach. Sie bat die Götter oder die anderen Nymphen, sie wieder in ihren natürlichen Verband aufzunehmen, nämlich als Geist einer Pflanze, als Muse einer Pflanze, und das ist das Schilfrohr. Tölpelhaft stellte Pan ihr weiter nach, brach das Schilfrohr in kleiner werdende Pfeifen und machte daraus die Panflöte – jedermann bekannt.

Was liegt diesen Mythen wirklich zugrunde?

Zugrunde liegen wahrscheinlich Gewalt und Verbrechen, Vergewaltigung und Tötung. Das heißt, in Wirklichkeit wurde Daphne wohl nicht in einen Lorbeerbaum verwandelt. Wir können es uns schwer vorstellen. Sie wurde vergewaltigt und getötet – an einer Stelle. An welcher Stelle? An der Stelle, wo sie jetzt nicht mehr ist. Was ist an dieser Stelle? An dieser Stelle ist ein Lorbeerbaum. Über diesen Lorbeerbaum denkt man an die Abwesende, die jetzt dort nicht mehr ist. So verkehren wir sozusagen über die Blume mit den Abwesenden. So verkehren wir auch über die Flötentöne der Syrinx mit der abwesenden Nymphe, mit der getöteten und vergewaltigten Nymphe, die dort jetzt nicht mehr steht. Aber was steht dort? Das Schilfrohr – ein leerer Platz. Ein menschenleerer Platz oder ein götterleerer Platz oder ein entgeisterter Platz. (Kurze Unterbrechung wegen Störung durch Stühlerücken.)

Worum es mir geht: Ein Verkehren über die Pflanzen und über die Blumen mit Abwesenden; das habe ich schon gesagt. Auch mit Verstorbenen. Auf den Friedhöfen zum Beispiel. Eine beliebte Friedhofsblume, in Frankreich vor allem, ist das Veilchen, Viola. Es kommt auch in der Form des Patentveilchens vor, nämlich aus Keramik, glasiert, gefärbt, unverwelklich. Auf das Veilchen komme ich am Schluß noch einmal zu sprechen.

Vorher will ich über eine Pflanze sprechen, kurz, die ausgerottet werden sollte, als sie ein wenig zu blühen anfing. Das ist die Herkulesstaude. Die heißt auch Archangelika, das ist der Große Bärenklau, der Riesenbärenklau. Wenn man zur Zeit von Mettlach nach Saarburg fährt, kann man sie an der Saar blühen sehen. Archangelika heißt der Erzengel, die erzengelhafte Staude. Man kann sich an ihr verbrennen. Man kann, wenn man mit dem Saft dieser Pflanze in Berührung kommt, Verbrennungen zweiten Grades davontragen, wenn die Wunde oder die verbrannte Stelle mit der Sonne in Berührung kommt. In München, vor einigen Jahren, in der Sauregurkenzeit, hat die Süddeutsche Zeitung über diesen fremden Eindringling aus dem Kaukasus berichtet. Und die Landräte und Stadträte haben beschlossen, mit Sensen, Sicheln und Dreschflegeln bewaffnet gegen diesen Fremdling, der irgendwo aus der Türkei zu uns eingedrungen ist, vorzugehen, weil die Pflanze eine Gefahr für die Kinder ist, die damit spielen.

Es gibt aber auch anderes Gift, das man nicht ißt, weil man weiß, daß es Gift ist. Man sollte also aufklären über diese Pflanze. Man braucht sie nicht auszurotten. Weshalb heißt die Herkulesstaude Herkulesstaude? Das sagt einem niemand. Aber ich sags Ihnen. Das sind Dinge, die sich in den Namengebungen und in den Mythen erhalten, die aber im Grunde schon fast unsichtbar geworden sind. Die erste Assoziation ist wahrscheinlich die Keule und die Größe der Pflanze. Die Pflanze ist riesig, wie Herkules. Die Blätter erscheinen in einer dicken Knospe, die zum Bersten gefüllt ist mit der gestauchten Blütenknospe. Diese Knospe wird wahrscheinlich als die berühmte Keule des Herkules angesehen. Aber das kann man notfalls noch aus dem Namen einfach durch kurzes Nachdenken und Hinschauen, was übrigens immer zu empfehlen ist, herauskriegen.

Schwieriger kriegt man heraus, daß es eine ganz archaische Beziehung zum Gift dieser Pflanze gibt. Herkules hat mit seiner Geliebten Deianeira einen Fluß überqueren wollen. Seine Geliebte Deianeira wurde von einem Centauren, also halb Mensch, halb Pferd, getragen über den Fluß. Er war eine Art Flußgott. Herkules hat sich das gefallen lassen, daß seine Geliebte von dem Centauren namens Nessos über den Fluß getragen wird. Auf halber Strecke hat der aber angefangen, an ihr herumzufingern und hat ihr unzüchtig nachgestellt. Herkules hat dies gesehen und hat ihn, als er am anderen Ufer gelandet war, mit einem gezielten Pfeilschuß niedergestreckt. Der sterbende Centaur Nessos hat Deianeira zugerufen: »Ich sterbe jetzt zwar, aber aus meinem Blut vom Pfeil deines Mannes Herkules kommt eine sonderbare Liebeskraft. Wenn du ein Tuch in diesem meinem Blut netzt, dann wirst du einen Menschen in Liebe an dich binden können, wenn du ihm aus diesem getränkten Stoff ein Gewand machst.«

Einige Jahre zogen ins Land, und es gab Liebesprobleme. Und es gab die Notwendigkeit, Herkules wieder an seine alte Geliebte zu binden, weil er eine neue hatte. Deianeira besann sich auf dieses gehütete Gewand, mit dem Blut des Centauren getränkt, hoffte auf den Liebeszauber, zog es ihm an, und Herkules zog es an und ist jämmerlich verbrannt. Das ist die Beziehung. Er hat solche Schmerzen erlitten, daß er gebeten hat, ihn auf einen Scheiterhaufen zu legen und einzuäschern. Das ist der Tod des Heroen Herkules. Wahrscheinlich ist diese Giftbeziehung diese Beziehung.

UNTER DER HERKULESSTAUDE ZU SINGEN

Nesselhemd, Nessoshemd.
Blut des Kentauren.
Mein Herakles brennt.

Deianeira hat sich erhängt.

Sie haben die Ehre, es zum ersten Mal zu erfahren, denn ich habs selber rausgekriegt. Bei solchen Dingen besteht natürlich auch immer die Möglichkeit, daß nicht stimmt, was man sagt. Aber was stimmt, ist, daß man es gedacht hat. Und die Mythen sind nichts anderes als Dinge, die Menschen gedacht haben.

CONSOLIDA AIACIS L.

Rittersporn, AI,
aus dem Blut
des Aias, AI,
aus dem Blut
des Hyakinthos
Rittersporn, AI.

Ein berühmter Pflanzenmythos ist der Mythos von der Hyazinthe. Wieder Apoll spielt mit einem Jüngling, in den er verliebt ist, mit einem Knaben namens Hyakinthos, Diskuswerfen. Sie werfen den Diskus, Apoll zeigt seinem Liebling, wie man den Diskus wirft. In Hyakinthos, den schönen Knaben, war nicht nur Apoll verliebt, sondern auch Zephyr, der Westwind. Er lenkte die Diskusscheibe so, daß Hyakinthos an der Schläfe getroffen wurde. Aus seinem Blut, während er starb, entstand die Hyazinthe. Steht bei Ovid so nachzulesen. Es gibt noch einen Zusatz. Ovid sagt, sie ist nicht nur aus dem Blut entstanden, die Hyazinthe, sondern sie hat auch den Schmerzensschrei des sterbenden Knaben aufbewahrt, und der steht buchstäblich auf die Blütenblätter der Hyazinthe geschrieben. Dieser Schmerzensschrei, auf griechisch, heißt AI.

Der gleiche Mythos wird von Ajax überliefert. Ajax, der große Held vor Troja, ein tapferer Kämpfer und Krieger. Nach dem Tod des Achill sollte der tapferste der Überlebenden die Rüstung des Achill bekommen. Odysseus wollte diese Rüstung selbst, hat sie für sich beansprucht, eigentlich stand sie Ajax zu. Ajax ist in Raserei verfallen, weil seine Tapferkeit nicht entsprechend ausgezeichnet wurde durch das Erbe dieser Waffen des gestorbenen Achill. Er hat sich in sein eigenes Schwert gestürzt und hat sterbend wieder den Klageruf ausgestoßen: AI, AI. Das ist die Abkürzung seines eigenen Namens, weil er Aias heißt, griechisch; lateinisch Ajax.

Heruntergekommen sind diese Helden und Götter zu Firmennamen, zu Scheuermitteln, und das ist wirklich bescheuert. Fast so wie die Sache mit dem Marabu, daß es ein Scheuermittel gibt, das Ajax heißt, nach der großen Kraft dieses Helden Ajax. Man hat nun immer gesucht, nach dieser Behauptung: Wie kommt Ovid dazu, daß dieser Klagelaut AI buchstäblich auf der Hyazinthenblüte steht. Dort steht er offenbar nicht. Ein kluger Botaniker, der sich speziell mit den Pflanzenvorstellungen der Alten beschäftigt hat, Hellmut Baumann, hat tatsächlich diese Buchstaben aufgefunden, auf einer anderen Pflanze. Die Namensüberlieferung der griechischen Pflanzen ist sehr unsicher. Es ist meist eine gewisse Streuung; ganz verschiedene Pflanzen können mitbegriffen werden. Baumann hat herausgefunden, daß es sich um einen Rittersporn handelt, Consolida ajacis, und auf dessen mittlerem Blütenblatt steht AI. Kann man rückwärts und vorwärts lesen, am besten von der Mitte nach links und nach rechts, und dann hat man zweimal den Klagelaut AI, AI.

Ich leg Ihnen das hierher, das können Sie sich nachher ansehen.

ATTIS

Vom Fleisch gefallen
das Geschlecht des Attis.
Mänaden feilschen.
Blutig blüht das Veilchen.

Als Sie die Formulierung meines Vortrags gelesen haben in der Einladung: Blutig blüht das Veilchen. Pflanzen und ihre Mythen, da haben Sie sicher gedacht: Der ist jetzt völlig verrückt geworden. So ist es aber nicht. Ich habe vorhin schon das Veilchen erwähnt. Es gibt in Zusammenhang mit dem Veilchen einen speziellen Gott, das ist der Attis. Ein phrygischer Gott. Hier ist er abgebildet in einem Brustbild. Ich muß Ihnen drei Sätze zu diesem Gott sagen. Am besten, wie man ihn gefunden hat, nämlich in Trier, unter der Moselbrücke.

Als unter Konstantin das Christentum zur Staatsreligion wurde, wurden die heidnischen Götter zerstört und vernichtet, in den Fluß geworfen oder gesteinigt. Es wird Sie vielleicht als grüne Feministinnen auch interessieren, daß eine Statue der Aphrodite, der Venus, eine Marmorstatue, eine römische Kopie offenbar einer griechischen Aphroditestatue, in Trier von den Pilgern, die nach St. Mattheis gezogen sind, gesteinigt wurde bis zur Unkenntlichkeit. Die Weiße Göttin im wahren Sinne des Wortes und der Farbe ist also von den Pilgern niedergesteinigt worden, so daß nur noch ein zapfenförnüger Stumpf übriggeblieben ist, den man im Landesmuseum in Trier besichtigen kann. Das ist eine besondere Pointe in christlicher Tradition. Wenn ich mich recht erinnere, hat mal jemand gesagt: »Wer von Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.« Das waren anscheinend lauter Leute, die den ersten Stein werfen mußten. Sie wollten es nicht, sie waren gezwungen dazu.

Im gleichen Museum steht eine Bronzestatue des Attis. (…) Sie wurde erst nach dem Krieg, ich glaube in den sechziger Jahren erst, bei einer systematischen Moselarchäologie gefunden. Dieser Attis hat folgende Eigenschaft: Er hat eine phrygische Mütze auf und er trägt so etwas wie eine Hemdhose, ein Kleidungsstück, das aus der Mode gekommen ist. Das ist eine Untertrikotage und verbindet auf peinliche Weise das Unterhemd mit der Unterhose. Früher hat man Kinder mit dieser Kleidung gequält. Man kann sie vorne in einer Knopfleiste öffnen von oben bis unten. Attis macht nun folgendes:

Er öffnet seine Hemdhose und exhibitioniert sein Geschlecht. Oben hat er, wie gesagt, eine phrygische Mütze auf. Die phrygische Mütze ist die Jakobinermütze in der Französischen Revolution; das Kleidungsstück der befreiten Sklaven kommt aus dem Mithraskult. Im Mithraskult ist es sehr wahrscheinlich der Hodensack, der enteierte Hodensack des getöteten Fruchtbarkeitsstiers, aus dem diese Mütze gemacht ist, und weil er enteiert ist, deshalb kippt dieser Zipfel nach vorne. Ja, so ist das.

Was hat Attis mit dem Veilchen zu tun? Attis war ein Priester der Kybele, der großen phrygischen Muttergottheit, Kybele oder Demeter. Er wollte ein Priester der Kybele, der Großen Mutter sein. Diese Priester mußten aber weiblichen Geschlechts sein. Er hat sich also mit einem Feuersteinmesser entmannt und sich in Raserei zu einer Frau gemacht. Aus den Blutstropfen von seinem abgeschnittenen Gemächt ist das Veilchen entstanden. Das Veilchen, wenn Sie sich recht erinnern, Viola, hat auch diese Zipfelmütze. Und zwar ist das dieser Sporn, in den es hinten ausläuft. Wenn man die Mütze des Trierer Attis genau ansieht, merkt man, daß sie dreilappig ist. Attis hat, ähnlich wie das in der beliebten englischen Kindermythologie der Fall ist, die Gestalt eines Menschen, der eine Blüte als Kopfbedeckung trägt. Ein archaischer Zusammenhang, der auch erwähnt werden kann, oder in dessen Zusammenhang auch zeitgenössische Entmannungsversuche erwähnt werden können. Wir wissen ja, daß unser alter Freund Walter Schiffels sein Geschlecht umgewandelt hat und zu einer Frau sich gemacht hat und nun Waltraud heißt.

Das Veilchen heißt Viola; violare heißt verletzen, verstümmeln, besudeln, entweihen. Ich habe Ihnen am Anfang gesagt, daß das Veilchen in den Grabkult eingebunden ist, auch das Patentveilchen, wie wir es speziell auf französischen Gräbern finden, das heißt das nicht verwelkende, leicht kitschige Souvenir, die Erinnerung. Und auf französisch heißt – Sie müssen mich korrigieren, wenn es nicht stimmt – dieses Veilchen pensée. Wer hätte das gedacht? Der Gedanke, das Andenken. Das Stiefmütterchen, das Veilchen.

Das Stiefmütterchen ist eine nahe Verwandte. Auch die Violine hängt eng mit dem Veilchen zusammen – aber das nur nebenbei – weil sie in den Hüften so eingezogen ist wie die Gestalt des Veilchens.

Ich will enden mit der Grabschrift von Paul Valéry auf dem Cimetière Marin in Sète: Zwei Zeilen aus seinem langen Gedicht, sehr lesenswert, gleichen Titels Cimetière Marin – Meerfriedhof; zwei Zeilen daraus stehen auf seinem Grab. Ich kann leider nur schlecht französisch lesen, ich versuche es trotzdem und lese Ihnen die deutsche Übersetzung von Rilke vor: »O récompense après une pensée / Qu'un long regard sur le calme des Dieux.« – »O, die Belohnung nach dem langen Denken, / ein langes Hinschaun auf der Götter Ruhn!«

Ich danke Ihnen.