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Titel Landfried Schröpfer und Arnfrid Astel, Frage an einen Gedankeneigentümer


Landfried Schröpfer

Frage an einen Gedankeneigentümer

Du ängstlich
auf dem Eigentum
an deinen Gedanken
Bestehender, warum
behältst du
deine Gedanken
nicht für dich?

(aus: Beschleunigung. Gedichte aus den Jahren 1962-1973, Heinrich, wir und die anderen, Dortmund u. a. 1973)



Arnfrid Astel

Warum eigentlich nicht?

Die »Frage an einen Gedankeneigentümer« habe ich seit 1974 immer wieder in eigene Gedichtbücher aufgenommen, als wäre das ein Gedicht von mir. Es ist aber von Landfried Schröpfer. Er kommt aus Erfurt, wo er seit der sogenannten Wende wieder lebt, im Haus seiner Mutter, einer Gartenfrau.

Ich hätte das Gedicht gern selbst geschrieben. Gedanken sind kein Eigentum. Sokrates verachtete die Sophisten, die für Geld redeten und sich für ihre Gespräche bezahlen ließen. Käufliche Weisheit wollte er nicht, sie vertrug sich nicht mit der Menschenliebe dieses Eckenstehers. Denken und Dichten ist nicht erlernbar, auch nicht in den zahlreichen Kaderschmieden.

Wenn Hölderlin sagt »Handwerker sah ich und keine Menschen«, so meint er auch, Schriftsteller sah ich und keine Dichter. Wer so redet, muss aufpassen, dass er nicht vom Schriftstellerverband ausgeschlossen wird.

Ist Eigentum Diebstahl? Wem wird es gestohlen? All denen, die keines haben, obwohl es ihnen gehört. Dichten und Denken sind Menschenrechte, wie das Eigentum. Sie gelten für alle.

Meine Sprache und meine Gedanken habe ich nicht käuflich erworben. Ich verkaufe sie auch nicht. Gedanken sind das, was man umsonst erhält und deshalb gern verschenkt. Man will nicht auf ihnen sitzen bleiben. Wer so denkt, ist auch für die freie Nutzung des Internets. Nur so bleibt es eine menschliche Errungenschaft.

Auch mich selbst hat einmal ein anderer Dichter »bestohlen«, er hat mich plagiiert. Ich war überrascht, weshalb macht er das? Er ist doch mein Freund. Wir haben nie darüber gesprochen. Am Ende fühlte ich mich durch seinen Diebstahl geehrt. Genauso ging es mir zur Zeit der Studentenbewegung, als Gedichte von mir auf Litfasssäulen erschienen sind.

Wer stiehlt, will das haben, was er sich nimmt. Wollen wir nicht alle begehrt werden? Wer so redet, muss sich fragen, ob er noch auf dem Boden des Kapitalismus steht.

Mir fällt ein jüdischer Witz ein: Der Leutnant fragt den Rekruten: »Weshalb soll der Soldat sein Gewehr nicht fallen lassen?« Der antwortet: »Ja, warum eigentlich nicht?«